Brettspiel-Themen: Wo sind die Grenzen des guten Geschmacks?

Von Veröffentlicht am: 29. März 2024
Frage des Montags #BG2GETHER
Inhalt

Brettspiele können viele Themen haben. Vom niedlichen Vogel, der in seinen passenden Lebensraum angesiedelt wird, über die Bekämpfung der Pest bis hin zur Besiedelung von fernen Planeten. Es gibt aber auch Spiele mit eher unschönen Themen. Krieg, Tot, Wahnsinn, teilweise erfunden, teilweise auf aktuelle oder Ereignisse aus der Geschichte bezogen. Brauchen wir solche Spiele in der Sammlung?

Anregung zu diesem Artikel ist die monatliche #BG2GETHER-Akion, in der es diesen Monat diese Frage gab:

Frage: Es gibt Brettspiele mit unangenehmen Themen und solche, die noch einen großen Schritt weitergehen. Als Beispiel hätten wir ein demnächst startendes Kickstarter Projekt zu Haus der 1000 Leichen, in denen wir Irre spielen, die Menschen quälen und ausweiden. Oder auch ein Brettspiel über den aktuellen Krieg in der Ukraine. Benötigt das Brettspiel eine Beschränkung in der Thematik um für dich als Spiel zu gelten? Wann ist die Grenze überschritten? Oder darf Brettspiel alles?

Darf ein Brettspiel alles?

Die letzte Frage würden wir spontan so beantworten: Ja, solange gegen keine Gesetze verstoßen wird, soll ein Brettspiel alles dürfen. Auf die nicht gestellte Frage, ob wir so ein Spiel in unserer Sammlung bräuchten, lautet die Antwort: Eher nicht unbedingt.

Natürlich haben wir nicht nur Spiele im Regal stehen, in denen diverse Einhörner über rosa Landschaften in einer Welt voller Liebe bewegt werden. Nein, wir bewegen uns auch mal im finsteren Mittelalter und bekämpfen dort die Pest und dabei sterben auch die „Bewohner“ des Spiels gelegentlich. Allerdings haben wir, in Vorbereitung auf unseren Artikel, mal unsere Spielesammlung durchgeschaut. Es gibt dort tatsächlich wenige Spiele, wo es wirklich brutale Themen gibt und noch weniger, wo die Spielenden sich gegenseitig bekämpfen. Da sind ein Age of Inovation und Scythe schon die Spiele, mit dem größten Konfliktpotenzial.

Dabei sind wir auch für andere Themen offen, die dürfen auch gerne mal ein wenig morbide sein. Das Spiel Abomination haben wir abgegeben. Aber nicht, weil uns das Zusammenbauen eines Monsters aus (teilweise sehr frischen) Leichenteilen abgeschreckt hätte. Das war sogar gut umgesetzt, mit einer Portion tiefschwarzem Humor. Nein, uns hat einfach das Spiel mit seiner Mechanik und dem Ablauf nicht so gut gefallen. Ähnliches gilt für Pagan, wobei wir dort schon fanden, dass man Bürger bei Verdacht auch hätte vertreiben können, statt sie direkt umzubringen. Davon gibt es noch weitere Spiele, wo es schon ein wenig brutaler zugeht, die uns aber eher nicht wegen des Themas verlassen haben.

Ist es Eskapismus bei uns?

Ja, wir spielen schon Spiele, um von dem ganzen Wahnsinn zu entkommen, der uns täglich über die Nachrichten erreicht. Danach am Abend ein Kriegsspiel auf den Tisch zu bringen, das käme uns nicht in den Sinn. Und erst recht keines, wo wir dann den Krieg in der Ukraine nachspielen würden.

Aber Eskapismus alleine kann es bei uns nicht sein. Zu Beginn der Pandemie haben wir wieder angefangen, mehr zu spielen. Und mit welchem Spiel? Richtig, es war ausgerechnet Pandemic. Und das hat uns damals dabei geholfen, mit der skurrilen Situation vor der eigenen Haustür umzugehen, wo das öffentliche Leben fast zum Erliegen gekommen ist. Wir können gar nicht sagen, warum das so war. Das müssten wir mal mit einem Therapeuten besprechen.

Das zeigt aber, dass es nicht nur Eskapismus sein kann, der uns Abstand von konfliktreichen oder brutalen Spielthemen nehmen lässt.

Darf ein Brettspiel alles?

Um mal den Bogen zu den gestellten Fragen zu bekommen. Nein, wir meinen nicht, dass es Beschränkungen oder gar Verbote für Themen in Brettspielen geben sollte. Für uns persönlich gibt es Grenzen, wo wir persönlich aussteigen. Das in der Frage genannte Spiel, in denen wir Irre spielen, die Menschen quälen und ausweiden, kommt sicherlich niemals bei uns auf den Tisch. Für uns ist dabei die Grenze des guten Geschmacks eindeutig überschritten. Solche Themen sprechen uns einfach nicht an. Allerdings ist das unsere ganz subjektive Meinung. Auch solche Spiele werden ihre Zielgruppe haben. Und nein, das sind dann alles keine potenziellen Psychopathen, die kurz vor einem Amoklauf stehen. Diese Diskussion finden wir auch im Zusammenhang mit Videospielen total daneben.

Daher, wenn keine Gesetzte verletzt werden, sollen Brettspiele alle Themen nutzen und ansprechen dürfen. Jeder kann für sich selbst entscheiden, ob er dann zum angesprochenen Kundenkreis zählt oder lieber Abstand von dem Spiel hält. Bestenfalls gibt es über diese Spiele und ihre Themen eine Diskussion, welche durchaus spannend und lehrreich sein kann.  Ebenso kann ein „bedenkliches“ Thema anregen, sich mit dem (historischen) Hintergrund weiter zu befassen. Daher denken wir, dass es durchaus Spiele gibt, wo man sehr kontrovers über das Thema streiten kann und sie alleine dadurch eine Berechtigung haben. Denn immer nur Einhörner auf Regenbögen oder Naturthemen, sind auf Dauer auch langweilig.

Was ist #BG2GETHER?

Was ist dieses #BG2GETHER eigentlich? Die Aktion wurde von Christian und seinem Blog Spielstil ins Leben gerufen. Jeden Monat wird ein Thema vorgegeben und dann können Blogger, Podcaster, YouTuber und andere Content-Ersteller sich darüber auslassen. Da wir spannender schreiben als reden oder videografieren können, machen wir das natürlich auf unserem Blog. Wir freuen darüber, nun auch Teil dieser Aktion zu sein und freuen uns auf viele spannende Anregungen für neue Artikel.

Weitere Beiträge

Hier findet Ihr alle weiteren Beiträge zu dem aktuellen Thema in diesem Monat:

Letzte Aktualisierung des Beitrages am: 31. Juli 2024

Danke für das Lesen des Beitrages.

Hinweis: Wenn wir über Spiele berichten, das sind das subjektive (Erst-)Eindrücke, die wir von dem Spiel gesammelt haben. Wir sehen uns nicht als Spielkritiker.

Übrigens: Die Texte auf diesem Blog sind selbst geschrieben und stammen nicht aus einer Text-KI. Allerdings lassen wir inzwischen einige Titelbilder von einer Bilder-KI erstellen. Ihr erkennt diese an den Zauberern, Zwergen oder anderen Wesen, die wir nicht selbst fotografieren können.

Wir freuen uns riesig über Kommentare unter dem Beitrag oder über das hemmungslose Teilen auf den Social Medias.

Herr Tommi Beruflich in der IT unterwegs sind Brettspiele für "Herrn Tommi" die Möglichkeit, einfach mal abzuschalten. Am Abend oder am Wochenende, zusammen mit Frau Melli einfach mal eine Welt retten, einen Zoo aufbauen oder den Mars besiedeln, einen besseren Eskapismus gibt es eigentlich nicht.

Neben den Brettspielen gehören das Radfahren, das Reisen und die Fotografie zu seinen Hobbys. Mehr drüber findet Ihr im Blog www.jansens-pott.de.

3 Kommentare
  1. Markus 30. März 2024 um 19:09 - Antworten

    Ein gut geschriebener Artikel zu einer sehr interessanten Frage.
    Ich verstehe deine/eure Sicht auf die Themen sehr gut und glaube, dass diese Ansicht in der (deutschen) Blase auch weit verbreitet ist.
    Das Krieg als Thema abschreckend wirkt, kann ich ebenfalls nachvollziehen. Für mich sind solche Spiele dagegen ehrlich. Sie sagen frei heraus, um was es geht und sind für mich um Längen immersiver als das typische Eurospiel.
    Und gerade durch das ganz klare Thema gibt es dazu auch deutlich weniger Diskussionsgrundlage als bei den Eurotiteln. Zug um Zug ist mechanisch toll, doch auf wessen Rücken wurde die Eisenbahn gebaut? Die amerikanischen Ureinwohner wurden sicher nicht gerne getötet oder in Reservate gedrängt. Tiere in Arche Nova einsperren ist okay? Die Mechanik gibt einem ja die Artenschutzprojekte, um darüber hinweg zu sehen. Rinder in GWT in den Norden treiben? Wieder durch die Gebiete der enteigneten Natives direkt zur Schlachtbank? Das schöne Mittelalter? Wenn ich da in die Geschichte schaue, war das für Bauern und fahrenden Händler ganz sicher auch alles andere als romantisch. Und die Fabrikarbeiter, die wir in Brass ausbeuten, wären von der heutigen Darstellung bestimmt auch überrascht. Und Menschen, die elendig an vier tödlichen Vieren zu Grunde gehen? Ein heißes Eisen, wie ich finde. Alles schön verpackt in hübsche Bilder und romantische, nach Abenteuer klingende Texte. Verkauft sich gut und lässt die Spielenden mit einem guten Gefühl zurück.
    Ist das aber noch so, wenn man die Zeit investiert und mal ein bisschen hinter die bunten Bilder schaut? Und genau da gewinnen die Wargames für mich. Sie gehen diese Dinge aktiv an. Das macht sie immersiv, auch wenn du Umsetzung sehr häufig auch nur Pappe oder Holzsteichen sind.
    Dieser bisher fehlende Umgang mit der Geschichte lässt mittlerweile viele Verlage zurückschrecken. Dadurch kommt nach dem nächsten Erde, der nächste Mischwald usw. Und das ist mir dann tatsächlich zu langweilig.

    Um auf die ursprüngliche Frage noch einzugehen. Behandeln kann ein Spiel für mich jedes Thema. Ob ich dann Interesse daran habe oder mich davon abwende, mache ich von meinem eigenen Moralkompass abhängig.

    • Thomas Jansen 31. März 2024 um 12:38 - Antworten

      Guten Morgen Markus,

      vielen lieben Dank für Deinen tollen Kommentar.

      Ich gebe Dir absolut recht, man kann auch in (fast) jedem Eurogame eine moralische Hürde finden. Und ich würde selbst Mischwald da nicht ausnehmen, denn was machen denn die Füchse mit den Hasen?

      Nein, im Ernst, aus diesem Gesichtspunkt dürften nur noch abstrakte Spiele auf den Tisch kommen. Und selbst da könnte man, wenn man wollte, denn warum sind Figuren beim Schach meist Schwarz und Weiß, und wieso darf Weiß das Spiel eröffnen?

      Kriegspiele, nein, eigentlich ist das der falsche Begriff. Brettspiele, welche eine historische Geschichte mit Kriegshintergrund darstellen, haben für mich persönlich eine absolute Berechtigung. Auch wenn sie nicht in mein/unser Beuteschema beim Spielen fallen, halte ich sie weder für unnötig noch halte ich es für verwerflich, diese zu Spielen. Deine Argumente dazu sind absolut nachvollziehbar.

      Daher deckt sich am Ende Dein Fazit mit meinem, es muss am Ende jeder für sich entscheiden, ob er bestimmte Themen in Spielen annimmt oder nicht.

      LG Thomas

      • Markus 31. März 2024 um 15:44 - Antworten

        Danke für den guten und ausführlichen Kommentar. Ich denke auch, dass unsere Sicjt da sehr ähnlich ist. 🙂

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